Eine Stecknadel für jede berufliche Perspektive

Anerkennungsberatung mit Verstand und Empathie

Jan Jerzewski und Lynda Kiefer sind die Gesichter der IQ Anerkennungsberatung im Land Bremen. Sie bringen Licht ins Dunkel der mitunter komplizierten Verfahren und beraten mit Verstand und Empathie.

Anerkennungsberaterin Lynda Kiefer erklärt zwei Menschen etwas

Kontakt

Die Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa

Lynda Kiefer und Jan Jerzewski

Beratung in der Arbeitnehmerkammer Bremen
Bürgerstraße 1
28195 Bremen
Telefon: 0421-36 301-954
E-Mail: anerkennung@wae.bremen.de

Beratung im afz (Arbeitsförderungs-Zentrum im Lande Bremen GmbH)
Erich-Koch-Weser-Platz 1
27568 Bremerhaven
Telefon: 0471-98 399-54
E-Mail: anerkennung@wae.bremen.de


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Über dem schlichten, weißen Tisch hängt eine große Weltkarte an der Wand, dicht übersät mit bunten Stecknadelköpfen. Auf dem Tisch eine Taschentücher-Box – der Arbeitsplatz der Anerkennungsberatung Bremen.

Über 3.200 Beratungsgespräche haben Jan Jerzewski und Lynda Kiefer bereits an diesem Tisch geführt. Die beiden sind seit Sommer 2015 die Gesichter der Anerkennungsberatung und -begleitung im Lande Bremen, einem Teilprojekt des IQ Netzwerk. Zu ihnen kommen Menschen, die ihren ausländischen Berufsabschluss anerkennen lassen wollen.

Anrufbeantworter abhören, Mails checken, Termine vergeben. So beginnt der Arbeitstag in der Anerkennungsberatung. Anschließend starten die Beratungsgespräche. „Jedes ist anders und man weiß nie, was auf einen zukommt“, erzählt Jan Jerzewski. Bis zu acht Beratungen führen er und seine Kollegin täglich durch.

Erfolge sind relativ

Das Beratungsteam gibt Antworten auf Fragen rund um das Thema berufliche Anerkennung. Gut vernetzt im Land Bremen verweisen die beiden an die richtigen Stellen, wenn es um Zeugnisübersetzungen, finanzielle Förderungen oder Kenntnisprüfungen geht. „Wir sind da, um Licht ins Dunkel zu bringen“, so Kiefer, die vor dem Start der Anerkennungsberatung als Disponentin für Ingenieur*innen arbeitete. „Ich habe mich auf diese Stelle beworben, um mit Menschen aus verschiedenen Ländern zu arbeiten, Sprachen einzusetzen und tatsächlich etwas zu bewegen“, erinnert sich Kiefer. „Gut, das war Idealismus am Anfang. Im Kleinen bewegt man etwas, aber wenn die Arbeit keinen Spaß machen würde, dann würde man schnell verzweifeln, weil alles nicht so schnell geht und es nicht einfach ist, Erfolge zu sehen.“

Erfolge im beruflichen Anerkennungsprozess sind relativ. Die Zeugnisbewertung eines syrischen Anglistikabsolventen ist einfach. Formal gesehen ist das ein Erfolg. Aber wie nachhaltig ist dieser Erfolg, wenn der Mensch anschließend keine entsprechende Arbeit findet?

Das Bremer Beratungsteam hat seine eigene Definition: „Ein Erfolg ist es immer dann, wenn wir den Eindruck haben oder die Rückmeldung bekommen, dass wir die Menschen ein Stück weitergebracht haben auf dem Weg, den sie sich ausgesucht haben, oder in dem wir ihnen Alternativen aufzeigen, falls ihr Weg versperrt ist“, so Jerzewski.

Um sich die kleinen Erfolge vor Augen zu führen, haben sie eine Weltkarte im Büro, übersäht mit bunten Stecknadelköpfen. Eine Stecknadel für jede neue berufliche Perspektive. Und die Nadeln verteilen sich über die ganze Welt – von Uruguay über Finnland und Eritrea bis nach Sri Lanka und Australien. Einzig die Antarktis fehlt.

Ohne Vernetzung geht es nicht

„Und natürlich ist es auch ein Erfolg, wenn uns im Hintergrund eine neue Vernetzung gelingt. Wenn wir es als Beratungsstelle schaffen, eine regelmäßige Runde mit zuständigen Stellen einzuberufen oder wenn wir Teil einer Runde werden. Wenn wir merken, dass wir einen guten Kontakt zu einer zuständigen Stelle aufgebaut haben, weil dadurch ja eine gewisse Arbeitsgrundlage geschaffen wird.“

Durch Vernetzung und Zusammenarbeit könnten Bürokratien abgebaut und Antragswege verkürzt werden. Jan Jerzewski schätzt, dass etwa die Hälfte aller Ratsuchenden abspringt, weil die Hürden hoch und die Wartezeiten lang sind. Gerade Lehrkräfte müssen ein starkes Durchhaltevermögen mitbringen. Der vollständige Anerkennungsprozess kann Jahre dauern. Wie lang ihr Weg zur beruflichen Anerkennung in Deutschland tatsächlich sein kann, wird den Ratsuchenden oft erst in der Beratung klar. „Die Menschen kommen mit Hoffnungen und Erwartungen zu uns. Viele denken, sie bekämen gleich einen positiven Bescheid“, erzählt Kiefer.

[two-thirds]Der Frust folgt und landet bei Jan Jerzewski und Lynda Kiefer auf dem Tisch. Sie nehmen das nicht persönlich, sondern reagieren mit Verständnis. Sie kennen die Defizite, die der berufliche Anerkennungsprozess mit sich bringt. Natürlich gebe es bestimmte Regeln, die eingehalten werden müssten, „aber wenn diese ordentlich erklärt würden und nicht bloß irgendwo versteckt im Internet zu finden wären, die Menschen nicht so lange auf Antworten warten müssten, könnte man Frust abbauen“, ist Jerzewski sicher.

Neben frustrierten Gemütern herrscht Enttäuschung über die geringe Aussicht auf den beruflichen (Wieder-)Einstieg. Da rollt auch mal die eine oder andere Träne und der Griff geht zur Taschentuch-Box auf dem Tisch. „Das sind ja auch Träume, die die Menschen haben. Sie kommen ja nicht grundlos in unsere Beratung, sondern weil sie in ihren Berufen weiterarbeiten möchten. Es ist menschlich schwierig, das mitzuteilen, aber es ist unser Job, das zu machen. Die vorhandenen Hürden müssen wir thematisieren, sonst wären wir schlechte Berater*innen“, sagt Kiefer. „Wir versuchen, die Enttäuschung natürlich abzufedern. Der Kern unserer Beratung ist Wertschätzung und die ist auch ehrlich, weil wir in einer normalen Beratung die Biografien der Ratsuchenden kennenlernen. Es gibt nicht nur die Dokumente, die sie uns auf den Tisch legen, sondern wir lernen die Menschen darüber hinaus kennen“, ergänzt Jan Jerzewski.

„Das gehört nicht hierher“, gibt es nicht

Die Wertschätzung hat bereits manches Ventil bei den Ratsuchenden geöffnet. „Es haben auch schon Leute aus ganz anderen Gründen geweint“, erzählt Jerzewski.  [/two-thirds]

Anerkennungsberaterin Jan Jerzewski hilft zugewanderten Menschen, die in Deutschland weiter in ihrem gelernten Beruf arbeiten möchten.Anerkennungsberaterin Jan Jerzewski hilft zugewanderten Menschen, die in Deutschland weiter in ihrem gelernten Beruf arbeiten möchten.

„Das gehört nicht hierher“, gibt es in der Bremer Anerkennungsberatung nicht. Jan Jerzewski und Lynda Kiefer versuchen, den Menschen und ihrem Kummer Raum zu geben: „Es kommt schon vor, dass wir etwas Tröstendes sagen. Manchmal muss man es auch nur kurz sacken lassen und kann dann zur eigentlichen Beratung zurückkehren. Aber einmal konnte ich mit einer Person nur nach einer Patientenverfügung recherchieren oder was es sonst noch für Anlaufstellen gibt. In einigen Fällen kann ich nur unterstützend gucken, wo es Hilfe gibt und im übertragenen Sinne solidarisch Händchen halten. Die Taschentücher-Box hat dabei auch schon oft geholfen.“

Seit April 2020 können Jan Jerzewski und Lynda Kiefer keine Taschentücher mehr reichen. Die Anerkennungsberatung, die normalerweise in der Arbeitnehmerkammer in Bremen und zweimal wöchentlich im Arbeitsförderungs-Zentrum in Bremerhaven Ratsuchende empfängt, ist aufgrund von Covid-19 für den Besuchsverkehr gesperrt. Das Anerkennungsteam steht nur noch per E-Mail und Telefon zur Verfügung. Eine vorübergehende Alternative, doch ein adäquater Ersatz ist das nicht.

In einer Fremdsprache zu kommunizieren, ist von Angesicht zu Angesicht einfacher. Gestik und Mimik lassen sich übers Telefon nicht deuten, im persönlichen Gespräch kann auf Gegenstände gezeigt, mit Händen und Füßen gestikuliert und auch mal etwas aufgemalt werden. Das fällt alles weg. So auch das direkte Feedback, ob eine Person alles verstanden hat.

Mehr zu bewegen wäre möglich

Wenn sich Jan Jerzewski und Lynda Kiefer etwas für die Zukunft wünschen könnten? „Ich wünsche mir, dass der beruflichen Anerkennung noch mehr Beachtung von der Politik entgegengebracht wird. Es könnten mehr finanzielle Mittel und mehr Personal zur Verfügung stehen. Durch das Streichen bestimmter Absätze und Verordnungen, wie es ja auch schon mal im Anerkennungsgesetz geschehen ist, könnte man Bürokratien abbauen und Wartezeiten verkürzen.“ Kiefer ergänzt: „Es ist schwierig, Antworten zu bekommen, wenn die Stellen nicht besetzt sind und die Bearbeitung von E-Mails lange dauert. Die Personalkapazität in den jeweiligen Anerkennungsstellen sollten mit ihren Stunden auch tatsächlich dafür zuständig sein.“

Auch die Anerkennungsberatung in die Regelförderung zu überführen, brächte eine Signalwirkung mit sich. Das wäre was. Für weniger Taschentücher und mehr Stecknadeln.

 


[Das Portrait erschien erstmal in der IQ konkret, 1/2020, Fachmagazin des IQ Netzwerk,  S. 44f.]